Spanien ist aktuell eines der dynamischsten Weinländer Europas. Vor vierzig Jahren kannte die Welt Rioja, Cava und Sherry. Und vielleicht noch die Billigweine aus Valdepeñas. Ab Ende der 1980er-Jahre nahm der Zug so richtig Fahrt auf: Heute sind die Weißweine aus Rueda und Galicien sowie die roten Blockbuster aus Ribera del Duero und Priorat ebenfalls weltweit bekannt. Und dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Darunter scheint alles in Bewegung zu sein: Bierzo, Sierra de Gredos, Málaga, Kanarische Inseln und Valencia – aus nahezu allen Winkeln des Landes kommen mittlerweile hochspannende Weine. In diesem Beitrag blicken wir auf gegenwärtige Trends im spanischen Weinbau.
1. Alte Reben
Gemeinhin gelten Rebstöcke als alt, wenn sie die dreißig Jahre überschreiten. Gemessen daran, verfügt Spanien über einen beeindruckenden Bestand alter Reben. Im nordwestlichen Anbaugebiet D.O. Bierzo sind zum Beispiel achtzig Prozent der Reben sechzig Jahre oder älter.
Für die Erzeugung von Massenweinen sind alte Reben nicht attraktiv, weil sie weniger produktiv als junge Reben sind. Ihre Erträge fallen niedriger aus. Im Qualitätsweinbau gewinnen sie dagegen immer mehr an Bedeutung. Gerade in Gegenden ohne Möglichkeit der Bewässerung bieten alte Reben einen entscheidenden Vorteil: Mit ihrem tiefen Wurzelwerk finden sie in weiter unten gelegenen Bodenschichten noch Feuchtigkeit und Nährstoffe, an die junge Reben mit ihren Wurzeln nicht gelangen. In Hitze- und Dürrephasen geraten alte Reben somit weniger in Trockenstress und die Ausreifung ihrer Trauben erfolgt gleichmäßiger. Im Zuge der Klimaerhitzung ist dieser Faktor ein enormes Plus. Alte Reben stehen folglich für einen der gegenwärtigen spanischen Trends.

Lambuena Reserva (2014)
Unsere Weinempfehlung: Lambuena Reserva (aus 80 jährigen Reben) von Bodegas Lambuena
2. Biologischer Anbau
Rebflächen mit biologischem Anbau stiegen in Spanien in den vergangenen zehn Jahren deutlich an. Von den 950.000 Hektar Gesamtrebfläche des Landes sind inzwischen über 100.000 Hektar biologisch zertifiziert. Dieser Trend ist ungebrochen und nicht mehr aufzuhalten: gesunde Böden und widerstandsfähige Reben sind im Zuge des Klimawandels und der damit verbundenen Gefahr von Desertifikation von großer Bedeutung. Dies ist inzwischen gängige Meinung: Als erste spanische Appellation überhaupt macht die D.O. Cava den Bioanbau für die Reserva- und Gran-Reserva-Kategorien ab 2025 verpflichtend. Dieses Vorbild wir zweifellos Schule machen.
![Generación 73 [BIO] (2020)](https://vinoalma.de/805-medium_default/1.jpg)
Generación 73 [BIO] (2020)
Unsere Weinempfehlung: Generación 73 (Rebsorte Garnacha negra) von Bodegas Tempore
3. Ausbau in Beton und Amphore
War da nicht etwas mit Crianza, Reserva und Gran Reserva? Aber Selbstverständlich! Spanien ist das einzige Weinland der Welt mit gesetzlich geregelten Qualitätsstufen, die sich an den Reifezeiten in Barriquefässern orientieren. Gleichwohl wird die Kritik daran immer lauter: Vor allem Winzer und Winzerinnen der jüngeren Generation finden, dass der Ausbau in den kleinen 225-l-Barriquefässern einen zu starken geschmacklichen Einfluss auf den Wein nimmt – zum Beispiel mit süßlichen Vanillenoten und rauchigen Tabakaromen. Diesen Winzern geht es um einen konkreteren Ausdruck von Terroir. Sie wollen, dass der „Geschmack eines Weinbergs“ nicht von Holz maskiert wird. Deshalb greifen sie entweder zu größeren älteren Holzfässern oder ganz zu Tonamphoren und Betontanks. Diese erlauben ebenfalls wie Barriques eine gewünschte Mikrooxidation während des Weinausbaus, sind geschmacklich hingegen neutraler.

![Herència Altés Garnatxa Blanca [BIO] (2021)](https://vinoalma.de/542-medium_default/1.jpg)
Herència Altés Garnatxa Blanca [BIO] (2021)
Unsere Weinempfehlung: Garnatxa Blanca (2 monatiger Ausbau in dem im Bild zu sehenden Betontanks) vom Weingut Herència Altés
4. Schlanke Rote und starke Weiße
Lange Zeit waren die Rollen klar verteilt: auf der einen Seite die kraftvollen, dunkelfruchtigen und alkoholischen Rotweine. Die Vollblutspanier sozusagen. Auf der anderen Seite standen die frischen und einfach zu trinkenden Weißweine. Dieses Rollenbild gerät zusehends ins Wanken. In Gebieten wie beispielsweise der Sierra de Gredos streben Winzer und Winzerinnen sehr deutlich nach Finesse und Schlankheit bei ihren Rotweinen. Sie betonen Frische und Eleganz, statt Kraft und Konzentration. Dies ist ein neuer, leichterer Rotweinstil, der um sich greift.
Im Gegensatz dazu gehören kraftvollere und gehaltvollere Weißweine zu den aktuellen Trends. Faktoren wie ein längerer Ausbau auf der Voll- oder Feinhefe und ein längerer Schalenkontakt vor der Gärung tragen hierzu unter anderem bei. So entstehen Weißweine, die einen Gaumen durchaus herausfordern und zum Verlassen der Komfortzone auffordern können.
Unsere Weinempfehlung: A Pie de Tierra von A Dos Manos Vignerons
5. Autochthone Rebsorten
In Spanien sind beeindruckende 235 Rebsorten im Anbau. Allerdings muss man dazu sagen, dass allein die rote Tempranillo und die weiße Airén zusammen über 40 Prozent aller Rebflächen des Landes ausmachen. Viele autochthone Trauben fristen dagegen ein Mauerblümchendasein, was sich so langsam still und leise ändert: Rote Sorten wie Monastrell, Garnacha und Bobal sind Weinliebhabern inzwischen weitgehend geläufig. Aber haben sie schon einmal von Juan Garcia, Rufete, Romé oder Arcos gehört? Dies sind nur ein paar Namen von vielen unbekannten Reben, denen sich spanische Topwinzer neuerdings zuwenden und aus ihnen exzellente Weine keltern. In Sachen Rebsorten gibt es in Spanien noch viel zu entdecken.

De Buena Jera (2017)
Unsere Weinempfehlung: De Buena Jera (Rebsorte Juan Garcia) von El Hato y el Garabato