Worauf beim Weingenuss zu achten ist (1)

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Der Duden definiert das Wort Genuss als eine „Freude und Annehmlichkeit, die jemand beim Genießen von etwas empfindet.“ Das Verb „genießen“ definiert das wichtigste deutsche Wörterbuch wiederum als ein „Wohlbehagen auf sich wirken lassen“.

Freude, Annehmlichkeit, Wohlbehagen und Empfindung sind also die Schlagwörter, wenn es um Genuss geht. In Bezug auf Weingenuss lässt sich somit folgern, dass es nicht auf die Menge des Getrunkenen ankommt (Vorsicht: zu viel Alkohol schadet der Gesundheit und Psyche!), sondern auf die Qualität der Empfindung. Aber wie genießt man Wein eigentlich richtig?

In unserer zweiteiligen Beitragsreihe gehen wir darauf ein, wie man Wein bewusst trinkt. Schön, dass Sie bei Teil 1 mit dabei sind.

Drei Sinnesorgane + Geist + Verzicht = Weingenuss

Beginnen wir mit einer ganz rationalen und banalen Feststellung. Man nimmt Wein mit drei Sinnesorganen wahr: Auge, Nase und Mund. Das allein genügt aber nicht: Unser Gehirn, unser Geist, muss die Sinnesempfindungen verarbeiten und einordnen. Dies ist ein elementarer Teil von Genuss. Etwas zu genießen ist also durchaus eine geistreiche Beschäftigung. Man könnte wahrscheinlich sagen: Genuss und das Wissen um Wein sind zwei Seiten derselben Medaille.

Last, but not least gehört zum Genuss übrigens auch der Verzicht. Sie sind untrennbar miteinander verbunden: Wer täglich Wein trinkt, wird ihn irgendwann nicht mehr genießen, da sich Routine einstellt. Wer dagegen regelmäßig eine Pause von ein paar Tagen einlegt, wird danach wieder umso mehr Freude mit einem guten Wein empfinden.

Kommen wir nun aber zum praktischen Teil. Wie läuft der Weingenuss konkret ab?

Das Auge

Achten Sie zuerst bitte darauf, den Wein aus einem richtigen Glas und bei richtiger Temperatur zu trinken. Nachdem wir uns den Wein dann ins Glas geschenkt haben, betrachten wir die Farbe. Sie kann je nach Rebsorte, der Art der Weinbereitung und dem Zeitpunkt der Abfüllung variieren.

Rotweine erhalten ihre Farbe aus den Schalen der Beeren, in denen sich die Farbpigmente befinden. Die Art und Intensität der Farbe hängt etwa davon ab, ob der Rotwein in Eichenfässern gereift ist, wie lange die Maischestandzeit ist und wie lange er in der Flasche reift. Junge Weine besitzen oftmals dunkelrote und violette Farbtöne, während ältere, in der Flasche gereifte Weine sich farblich in Richtung Granatrot und Ziegelrot entwickeln.
Aber auch die Rebsorte spielt eine wichtige Rolle: Sorten wie Cariñena, Bobal und Monastrell ergeben aufgrund ihrer dicken Schalen in der Regel dunkle Rotweine, während Trauben mit dünneren Häuten, etwa Garnacha, Arcos und Moravia Agria, eher hellere Rotweine hervorbringen.

Weißweine bieten ebenfalls eine breite Palette: Junge Weine, die im Edelstahltank ausgebaut sind, kommen oftmals mit einem hellen Grüngelb daher. Wenn ein Wein vor der Gärung einige Zeit lang Schalenkontakt (in den Schalen stecken die Farbstoffe) hatte oder im Eichenfass vergoren wurde, tendiert seine Farbe nicht selten zu Strohgelb. Weißweine, die über mehrere Jahre in der Flasche reifen, entwickeln sich in Richtung intensives Goldgelb und Bernstein.

Roséweine werden aus roten Trauben hergestellt. Ihre Farbe hängt vor allem davon ab, wie lange die Trauben mit den Schalen in Kontakt sind. Die Farbe von Roséweinen mit längerer Maischestandzeit ist intensiver und hat Himbeertöne, während die Farbe von Roséweinen, deren Trauben direkt gepresst wurden, eher lachsfarben ist. Bei der Reifung im Fass oder in der Flasche können Farbtöne wie Orange und „Zwiebelschale“ auftreten.

Die Farbe eines Weins, davon sind wir überzeugt, sagt nichts über seine Qualität aus. Wie oben dargestellt, lässt sie bis zu einem gewissen Grad aber Rückschlüsse zu, wie der Wein gemacht und gereift ist und was wir „stilistisch“ von ihm erwarten können. Kommen wir nun zum nächsten Schritt und dem zweiten Sinnesorgan.

Die Nase

Durch riechen können wir mehr Aromen wahrnehmen als etwa durch schmecken. Spätestens mit der Nase beginnt also der echte Weingenuss. Die beste Vorgehensweise ist, zuerst am Weinglas zu riechen, danach den Wein im Glas zu schwenken und erneut zu riechen. Durch das Schwenken werden die Aromen besser freigesetzt. Sie brauchen den Wein aber nicht ständig wild schwenken, wie das manche Weintrinker gerne tun. Ein- oder zweimal genügt.

Weinaromen sind in drei Gruppen unterteilt:

Primäraromen: Das sind jene Aromen, die während der alkoholischen Gärung auftreten. Es handelt sich in der Regel um Aromen, die mit Blüten, Früchten und Kräutern in Verbindung gebracht werden. Die Rebsorte Tempranillo hat etwa meist Aromen von roten Früchten und Garnacha von Erdbeeren. Viele Albariños zeigen wiederum Zitrusfrucht und florale Noten.

Sekundäraromen: Diese Aromen entstehen bei der Weinbereitung nach der alkoholischen Gärung. Hierzu gehören etwa die malolaktische Gärung (Milch, Joghurt, Butter), das Hefelager (Teig, Hefegebäck) und der Ausbau in Eichenholz (Röstaromen, Kokosnuss, Vanille).
Bei Cava-Schaumweinen mit langem Hefelager treten etwa teigige Noten hervor. Rotweine aus Ribera del Duero verfügen gerne auch mal über laktische Aromen, da ihre malolaktische Gärung gerne in grobporigen französischen Barriques durchgeführt wird. Klassische Rioja-Weine offenbaren wiederum oftmals Kokos, ein typisches Aroma für den Ausbau in amerikanischer Eiche. Wir sprechen hier allerdings nur von Tendenzen.

Tertiäraromen: Diese Aromen treten während der Flaschenreifung auf. Hierbei wird die Frucht süßer, sie geht in Richtung kandierte Früchte und Trockenobst. Die Weißweine erhalten würzige Aromen und manchmal auch Noten von Petroleum, Heu und Rauch. Rotweine können zudem Noten von beispielsweise Tabak, Leder, feuchter Erde und Pilzen aufweisen.

Es ist überhaupt nicht wichtig, dass Sie alle Aromen eines Weins ausfindig machen und bestimmen können. Dies wäre eine verzweifelte Aufgabe, die genau das Gegenteil von Genuss bedeutet. Freude und Genuss wird es Ihnen aber bereiten, wenn sie konzentriert und bewusst am Wein riechen und vielleicht ein oder zwei Aromen erkennen können.

Weinaromenrad, Weingenuss
Das sogenannte Weinaromenrad führt die verschiedenen Weinaromen und ihre Oberkategorien auf.

Nun kommt der nach wie vor wichtigste Schritt beim Weingenuss: Wir nehmen den Wein im Mund auf und trinken ihn. Was dann passiert, was wir dabei alles wahrnehmen (können) und wie wir die ganzen Sinneseindrücke einordnen können, beschreiben wir im zweiten Teil dieser Beitragsreihe, der im kommenden Monat erscheint.

Genießen Sie bis dahin doch schon einmal gerne den ein oder anderen Wein aus unserm Vino&Alma-Shop.

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