Navarra – gleich und doch anders

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Das Anbaugebiet Navarra steht immer ein wenig im Schatten des großen Nachbarn Rioja, obwohl es eine ähnlich beeindruckende Spannbreite an Landschaften und Weinstilen vorweisen kann. Wir nehmen die Region unter die Lupe.

Navarra befindet sich ganz im Norden Spaniens und kann mit einer interessanten geografischen Lage aufwarten. Sowohl der Atlantik, der Golf von Biskaya, als auch die Pyrenäen sind unweit entfernt. Darüber hinaus ziehen sich weite Teile des Anbaugebiets den Ebro entlang, durch dessen breites Flusstal warme Mittelmeerluft ins Landesinnere ziehen kann. Diese geografische Situation führt dazu, dass durch Navarra eine sogenannte Klimascheide verläuft, in der mediterranes und atlantisches Klima aufeinander treffen.

Je nachdem wo man sich befindet – das Anbaugebiet besteht aus fünf Subzonen, die sich mitunter deutlich im Charakter unterscheiden – ist der mediterrane oder atlantische Einfluss größer. In den südlichen Gebieten ist der mediterrane Einfluss stärker ausgeprägt, während die nördlichen Gebiete atlantisch beeinflusst sind. Diese verschiedenen Klimata und Zonen begünstigen freilich eine große Breite an Weinstilen und ebenso den Anbau diverser Rebsorten.

Darüber hinaus ist durch eine Höhenlage von moderaten 350 Metern bis hin zu beachtlichen 700 Metern sowie durch die Nähe zu den Pyrenäen ein kontinentales (Berg-)Klima spürbar. Es macht sich in kalten Wintern und heißen Sommern sowie in großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht bemerkbar. Dies bedingt einen längeren und gleichmäßigeren Reifezyklus der Trauben, was sich in der Regel positiv auf die Frische und aromatische Komplexität der Beeren auswirkt.

Last, but not least bläst der Nordwind Cierzo durch das Gebiet. Er sorgt im Sommer für Abkühlung in den Weinbergen, so dass die Trauben nicht zu schnell überreifen. Gerade eine frühreifende Rebsorte wie Tempranillo benötigt solche mäßigenden Einflüsse im Anbau.

© D.O. Navarra

D.O. Navarra: Tempranillo und Garnacha führen

Mit der Kombination aus viel Sonne und den genannten kühlenden Klimafaktoren ist Navarra geradezu ein Paradies für Weinbauern und Weinmacher. Damit Trauben richtig reifen können, müssen Rebstöcke mindestens 1200 Stunden im Jahr der Sonne ausgesetzt sein. Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung in Navarra beträgt um die 2000 Stunden pro Jahr. Die Monate September und Oktober sind in der Regel warm und trocken und bieten somit gute Bedingungen für den abschließenden Reifeprozesses und die Ernte.

Die Appellation ist etwa 11.000 Hektar groß. Am häufigsten im Anbau sind die beiden autochthonen Rotweintrauben Tempranillo und Garnacha. Sie kommen zusammen auf über 60 Prozent der Rebfläche im Gebiet. Insgesamt wachsen Rotweinsorten auf rund 90 Prozent der Anbaufläche. Bei den weißen Trauben führt Chardonnay vor den heimischen Garnacha Blanca und Moscatel de Grano Menudo.

Rosado, opulente Rote und elegante Garnacha

Historisch bekannt ist Navarra als die Heimat des spanischen Rosado (Rosé). Die meisten Rosados aus Navarra bestehen zu 100 Prozent aus Garnacha, aber auch Tempranillo hat im Laufe der Zeit an Populärität hinzugewonnen. Klassischerweise werden die Rosados mit der Saignée-Methode hergestellt. Saignée bedeutet wörtlich „Aderlass“. Bei diesem Verfahren zieht man etwa 15 Prozent des Safts von der Rotwein-Maische ab und vergärt ihn danach zu einem Rosé. Der Saftabzug von der Maische kann nach einigen Stunden bis hin zu einigen Tagen erfolgen. Als Nebenwirkung fällt der zurückbleibende Rotwein konzentrierter und dunkler aus. Der Rosé selbst erhält eine tiefe himbeerrote Farbe

Abgesehen von Saignée gibt es heute aber auch eine ganze Reihe von Rosados in Navarra, die hell lachsfarben ausfallen, da die Trauben direkt gepresst werden und der Schalenkontakt sehr kurz gehalten ist. Dies entspricht dem moderneren Typus von Rosé.

Zu den typischen Weinstilen der DO gehören fernerhin voluminöse Rotweine auf Tempranillo-Basis. Oftmals sind es Cuvées mit Cabernet Sauvignon, Merlot und anderen internationalen Sorten, die als Crianza, Reserva und Gran Reserva reifen. Schöne Weine kommen in dieser Sparte beispielsweise von Bodegas Ochoa.

Großer Beliebtheit erfreuen sich zuletzt auch wieder sortenreine Garnacha-Rotweine. Der Bestand an alten Garnacha-Weinbergen ist in Navarra relativ groß. Sie wurden in den letzten Jahren vermehrt rekultiviert bzw. zur Herstellung von Qualitätsweinen herangezogen. Top-Garnachas – fein, elegant und sehr frisch – kommen etwa von Erzeugern wie Viña Zorzal, Nekeas, Gonzalo Celayeta und Domaine Lupier. Bei den Weißweinen sind wiederum die Chardonnay-Gewächse vom Weingut Chivite hochangesehen.

Landschaft in der DO Navarra
© D.O. Navarra

Same but different: der kleine Bruder der Rioja

Die D.O. Navarra grenzt direkt an die berühmte DOCa Rioja, und beide Appellationen verfügen über einige Gemeinsamkeiten. Da wäre zum einen die ziemlich einzigartige Situation zu nennen, in der mediterranes, atlantisches und kontinentales Klima aufeinander treffen. Zum anderen ist Tempranillo die Hauptsorte in beiden Gebieten und die Garnacha als zweitwichtigste Traube anzusehen. Darüber hinaus haben Weinstile wie Crianza, Reserva und Gran Reserva sowie Rosado eine lange Tradition. Und nicht zuletzt findet Weinbau in ähnlichen Höhen statt, von hauptsächlich 400 bis 600 Metern. All dies teilen sich Rioja und Navarra.

Die feinen Unterschiede bestehen vor allem in den Böden: Navarra hat überwiegend steinige und lehmige Böden, während in der Rioja neben eisenhaltiger Tonerde auch Kalkstein von Bedeutung ist. Darüber hinaus enthalten rote Blends aus Navarra oftmals die internationalen Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot, die in der DOCa Rioja im Anbau gar nicht zugelassen sind. Die Cuvées der Rioja bestehen in der Regel aus Tempranillo als Hauptsorte plus Garnacha, Mazuelo und Graciano. Und der ganz große Unterschied liegt in der Reputation: Rioja ist Spaniens angesehenstes Weinbaugebiet mit einer beeindruckenden Anzahl an Spitzenerzeugern, während Navarra darum kämpft mit einem eigenständigen Profil als Top-Gebiet wahrgenommen zu werden.

Bis es so weit ist, wird noch eine ganze Menge Wasser den Ebro hinunterfließen. Doch die Richtung hin zu mehr Qualität und Charakter stimmt in Navarra schon einmal.


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Titelbild: © D.O. Navarra

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