Mehr Weinberg, weniger Keller: Spanien entdeckt seine Terroirs

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Spanien ist ein äußerst diverses Land mit vielen Sprachen und Bergen, mit Hochebenen, Inseln und zwei Meeren, mit der einzigen Wüste Europas in Andalusien und mit grünen Gebieten in Galicien, deren Regenaufkommen doppelt so hoch als jenes in Hamburg ist. Diese kulturelle und geografische Vielfalt war beim Wein jedoch lange Zeit wenig sichtbar. Bis in die 1970er-Jahre war Spanien eine Diktatur und weitgehend wirtschaftlich isoliert. Abgesehen von Rioja und dem Sherry-Gebiet konzentrierten sich die spanischen Weinregionen auf die Herstellung günstiger Fassweine.

Spätestens als das Land 1986 der EU beitrat änderte sich dies freilich. Doch die Modernisierung des spanischen Weinbaus war vor allem technischer Art: Vielerorts konzentrierten sich die Weingüter darauf, sauber gemachte und gute Weine zu erzeugen. Sie führten Stahltanks zur temperaturregulierten Gärung ein und bauten ihre Weine im Stile der Rioja in kleinen Barriquefässern aus. Ebenfalls ersetzten sie oftmals lokale Rebsorten mit der Tempranillo oder mit internationalen Trauben wie Syrah. So kann man sagen, dass spanischer Wein in den 1980ern und 1990ern zwar stark an Qualität zulegte, gleichzeitig aber auch eher einseitig und eindimensional daherkam: Kraftvolle, alkoholische Rotweine mit Holzeinschlag.

In Spanien wurde lange geglaubt, dass Weinqualität vor allem im Keller entsteht. Die Qualitätsstufen Crianza, Reserva und Gran Reserva sind das beste Beispiel hierfür. Sie orientieren sich einzig an der Dauer des Ausbaus in Barriquefässern und des folgenden Flaschenlagers. Aber wo bleibt der Weinberg, der Ursprungsort der Trauben?

Weinberge ergeben je nach Höhenlage, Ausrichtung, Böden und Alter der Reben ganz unterschiedliche Traubenqualitäten und ebenso Weine mit unterschiedlichem Charakter. Dieser Faktor wurde in Spanien und im spanischen Weingesetz lange vernachlässigt. Zwar gibt es Herkunftsbezeichnungen wie DOCa Rioja. Doch die Rioja ist ein 65.000 Hektar großes, äußerst heterogenes Weingebiet. Allein die Herkunftsbezeichnung DOCa Rioja bleibt somit schwammig und unspezifisch. Außerdem wurde 2003 die Lagenklassifikation Vino de Pago eingeführt. Sie stellt offiziell die höchste Stufe der spanischen Herkünfte dar. Doch wirklich durchgesetzt hat sie sich nie. Bestimmte autonome Regionen wie La Rioja, Katalonien, Andalusien oder Galicien haben das Gesetz noch nicht einmal ratifiziert.

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich die spanischen Erzeuger zunehmend darauf konzentriert, die unterschiedlichen Terroirs in ihrer Weinregion zu studieren und Weine herzustellen, die eine spezifische Herkunft widerspiegeln. Gerade in der jüngeren Winzergeneration gab und gibt es zusehends Kritik an den Reife-Klassifikationen Crianza & Co. Sie argumentieren, dass sich Weinqualität nicht an der Dauer des Fassausbaus bemisst, sondern vielmehr der Weinberg und dessen Qualität der Trauben entscheidend sind.

Als Reaktion darauf und um dies den Verbrauchern klar zu kommunizieren, haben einige DOs in Spanien damit begonnen, zusätzliche Kategorien einzuführen, die genaue Informationen über die Herkunft der Trauben bieten. Erzeuger in diesen Regionen können nun die entsprechenden Begriffe auf ihren Weinetiketten anbringen. Eine der ersten Regionen, die dies tat, war DOQ Priorat, gefolgt von DO Bierzo, DO Cava und neuerdings DOCa Rioja. Im Folgenden erklären wir die neuen Einteilungen.

Neue Einzellagenklassifikation in der DOCa Rioja

Im Jahr 2017 führte die DOCa Rioja die seither vielbeachtete Einzellagenkategorie „Viñedo Singular“ ein. Nach wie vor sind die klassischen Reifeklassifikationen Crianza, Reserva und Gran Reserva gültig. Ergänzend können Weingüter ihre Weine nun auch nach spezifischer Herkunft klassifizieren. Ein „Viñedo Singular“ wird vom Kontrollrat des Anbaugebiets zugelassen. Die Weingüter müssen hierfür einen Antrag stellen und strenge Qualitätsvorgaben beachten. Für einen Viñedo Singular gelten etwa strengere Erntevorgaben von maximal 5.000 kg je Hektar (statt normalerweise 6.500 kg je Hektar), ein Mindestalter der Reben von 35 Jahren und eine verpflichtende Handlese der Trauben.

Darüber hinaus hat die DOCa Rioja die Herkunftskategorien Vino de Municipio (Ortswein) und Vino de Zona (Zonenwein) eingeführt. Das Anbaugebiet Rioja setzt sich aus den drei Subzonen Rioja Alavesa, Rioja Alta und Rioja Baja zusammen. Stammen alle Trauben eines Weins beispielsweise aus der Subzone Rioja Alavesa, so kann diese auf dem Etikett entsprechend ausgewiesen werden. Das gleiche gilt für Vino de Municipio: Wenn die Trauben für einen Wein einzig aus den Weinbergen einer bestimmten Gemeinde kommen, dann kann diese auf dem Etikett vermerkt werden. Für all diese neue Klassifikationen gilt, dass sie eine spezifischere Herkunftsangabe erlauben, als es bislang möglich war.

Klassifikationen Rioja, Spanien.
Bild oben: Die Klassifikationen nach Herkunft und Reife der DOCa Rioja. Relativ neu sind die Kategorien Viñedo Singular (Einzellagenwein), Vino de Municipio (Ortswein) und Vino de Zona (Wein aus einer bestimmten Subzone). (Bild: © DOCa Rioja)

Lagenklassifikation nach burgundischem Vorbild in DOQ Priorat und DO Bierzo

Nochmals einen Schritt weiter gehen die Anbaugebiete DOQ Priorat und DO Bierzo. Sie haben eine vierstufige Qualitätspyramide eingeführt, die sich an den Lagenklassifikationen des Burgund orientiert und ebenfalls der Qualitätspyramide des deutschen VDP ähnelt. Für die DOQ Priorat lauten die einzelnen Stufen folgendermaßen:

Gran Vinya Classificada: Das Pendant zu Gran Cru in Burgund bzw. Großes Gewächs im VDP. Im Priorat gibt es derzeit nur drei solcher Lagen: Tossal d’en Bou von Mas Doix, Mas de la Rosa von Vall Llach und L’Ermita von Alvaro Palacios.

Vinya Classificada: Das Pendant zu Premier Cru im Burgund bzw. Erste Lage im VDP.

Vi de Paratge: Ein Wein aus einer zusammenhängenden Weinlage, die allerdings aus mehreren Parzellen/Weinbergen besteht. Es handelt sich demnach um einen Lagenwein, jedoch um keinen Einzellagenwein.

Vi de la Vila: Das Pendant zu Village im Burgund bzw. Ortswein im VDP. Die Trauben stammen also aus Weinbergen einer definierten Ortschaft.

Die Do Bierzo im Nordwesten Spaniens hat die Klassifikation der DOQ Priorat im Grunde so übernommen, nur dass die Namen etwas anders lauten:
Gran Vino de Viña Clasificada wäre demnach Grand Cru.
Vino de Viña Clasificada entspricht Premier Cru.
Vino de Paraje wäre ein Wein aus einer größeren Weinlage, die aus mehreren Parzellen besteht.
Vino de Vila ist der Ortswein.

Für ein Land wie Spanien, das lange Zeit fast einzig auf Reifebezeichnungen und Kellertechnik fokussiert war, sind diese neuen Lagenklassifikationen durchaus revolutionär, da sie den Blickwinkel auf Wein verändern. Die Lagenklassifikationen stecken aber auch noch in den Kinderschuhen. Bis Top-Lagen im Bierzo wie etwa „El Rapolao“ oder „La Bienquerida“ einmal so bekannt sind wie ein Erdener Treppchen oder Forster Ungeheuer vergeht noch viel Zeit. Doch der Anfang ist immerhin gemacht.

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