Weinarchitektur in Spanien

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Das faszinierende am Wein ist seine Vielfalt, und dies meinen wir nicht allein auf sein breites Spektrum an Aromen bezogen. Wein ist außerdem Geografie, Landwirtschaft und Handwerk. Wein ist Lifestyle und ebenfalls Architektur. Zahlreiche Weingüter errichten architektonische Schmuckstücke, um in stimulierendem Ambiente ihre Geschäftspartner und Gäste zu empfangen und zu bewirten. Wie Wein kann auch Architektur sinnlich und inspirierend sein. Eine gelungene Architektur vermittelt darüber hinaus Renommee und wirkt sich positiv auf die Wahrnehmung des Weinguts und seiner Weine aus. Auch das Auge trinkt mit.

Historische und moderne Schmuckstücke

In der Rioja gibt es eine ganze Reihe spektakulärer Weingebäude. Stararchitekten wie Santiago Calatrava und Frank Gehry durften gewagte wie imposante Entwürfe für die Weingüter Ysios (siehe Foto oben) bzw. Marqués de Riscal realisieren. Die Prestigebauten sind heutige Wahrzeichen für das Rioja-Weingebiet, sie veranschaulichen auch optisch, dass die Rioja in der Weltliga des Weins angekommen ist.

Es müssen allerdings nicht zwingend teure Blockbuster-Projekte wie diese sein, um architektonisch Eindruck zu machen.

Das Weingut Bentomiz in den Bergen der Axarquia, Provinz Málaga (Foto: © Bodegas Bentomiz)

Eines von zahlreichen kleineren, aber nicht weniger reizvollen Beispielen in Spanien ist das Weingut Bodegas Bentomiz in der andalusischen Appellation D.O. Sierras de Málaga. Das moderne Gebäude im Bauhaus-Stil ist mit Schiefertafeln eingekleidet – als Anlehnung an die vorherrschenden Schieferböden in diesem spektakulären Weingebiet. Im Untergeschoss befindet sich die Kellerei. Hier wirkt die Winzerin Clara Verheij. In der oberen Etage betreibt ihr Lebensgefährte André Both ein Restaurant. Zu seiner vorzüglichen Küche kredenzt er selbstverständlich die hauseigenen Weine.

Wir bleiben in Andalusien, wechseln dabei zu einem historischen Ort: In einer Klosterkirche aus dem 16. Jahrhundert vergären und reifen die Weine von Descalzos Viejos. Die Inhaber dieses Weinguts sind zwei Architekten. Im Jahr 1998 erstanden sie am Rande der Kleinstadt Ronda ein verlassenes und zerfallenes Kloster. Mit viel Liebe und Geschmack haben sie das Anwesen behutsam restauriert und zu einem Weingut umfunktioniert. Der architektonische Höhepunkt ist sicher besagte Klosterkirche mit ihrer erhabenen Atmosphäre. Die Wandfresken aus dem 16. Jahrhundert sind im Rahmen der Restaurierung wieder freigelegt worden. So wachen die Bilder der Heiligen St. Iusta und St. Rufina heute über den Wein.

Der Weinkeller von Descalzos Viejos in einer Klosterkirche aus dem 16. Jh. (Foto: © Thomas Götz)

Baigorri – Architektur im Dienste des Weins

Manchmal verhält es sich so, dass Wein-Architektur nicht nur bemerkenswert aussieht, sondern dass ein Gebäude außerdem die Weinbereitung unterstützt. Diesbezüglich ist die im Jahr 2002 eingeweihte Kellerei von Bodegas Baigorri in Rioja Alavesa ein beeindruckendes Beispiel.

Das Gebäude spielt mit der abschüssigen, hügeligen Landschaft und erstreckt sich dreißig Meter tief in die Erde. Insgesamt besteht es aus acht Etagen, wovon sechs Ebenen unterirdisch sind. Baigorri nutzt den achtstöckigen Bau für eine schonende Weinproduktion unter Beihilfe der Schwerkraft. Von einer „Architektur im Dienste des Weins“, spricht das Weingut. Was aber genau kann man unter dieser Aussage verstehen?

Bodegas Baigorri in Rioja Alavesa (Foto: © Bodegas Baigorri)

Betrachten wir das Gebäude und seine Funktion näher: Die oberste Ebene ist einzig ein Glaskasten, ein leerer Raum, in dem Besucher zuerst die Weinberge im Schatten des Gebirgszugs Sierra Cantabria betrachten können. In der Etage darunter befinden sich Büros, Weinlabor und Shop. Soweit, so gut.

Auf der zweiten Ebene beginnt die Weinproduktion mit der Annahme des Leseguts. Hier werden die Trauben zuerst an Sortiertischen selektiert und abgebeert. Nun kommt die Schwerkraft zum Zuge: Nicht durch mechanisches Pumpen, welches die Schalen der Früchte beschädigen könnte, sondern durch Röhren gelangen die Beeren von der zweiten zur vierten Ebene. Dort werden sie in Transporttanks aufgefangen und mit einem Kran zu den Gärtanks auf Ebene Fünf gebracht. Die Übergabe der Trauben in die Gärtanks erfolgt ohne mechanisches Zutun, sondern durch Schwerkraft – eben um das Lesegut möglichst schonend zu behandeln.

Die Gärtanks sind wiederum an Stahlträgern befestigt, so dass man sich von Etage Sechs aus unter sie begeben kann. Sobald die Maischegärung abgeschlossen ist, läuft die Maische in die Weinpressen, die auf Rollen unter die Gärtanks geschoben werden. Final fließt der Wein aus den Pressen in der sechsten Etage zur Reifung in die Barriquefässer in der siebten Etage. Bei Baigorri kann man folglich von einer vertikalen Weinbereitung ohne Mechanik und nur mittels Schwerkraft sprechen. Ermöglicht wird es allein durch die ausgeklügelte Architektur.

Baigorri: In Transporttanks wird das Lesegut zu den Gärtanks gebracht (Foto: © Bodegas Baigorri)

Monasterio de Veruela – Wein-Architektur aus natürlicher Umgebung

Völlig anderer Art – aber natürlich ebenfalls eine Form von Architektur – sind die oftmals kilometerlang in Fels gehauenen Weinkeller, welche man in vielen Regionen Spaniens findet. So auch beim Cava-Erzeuger Monasterio de Veruela in Aragon.

Spanien ist ein heißes Land, und Wein mag keine Hitze. Als es noch keine Edelstahltanks mit Temperatureinstellung gab, machten sich die Menschen die natürliche Umgebung zu eigen: Ganze Kellerlabyrinthe entstanden unterirdisch für die Weinbereitung und -lagerung. Die „Höhlen“ bieten freilich auch heute noch ganzjährig ideale Temperaturen und Luftbedingungen, was insbesondere für die teils langjährigen Reifezeiten von Schaumeinen ein Vorteil ist.

In Kalkfels gehauener Keller bei Monasterio de Veruela (Foto: © Vino&Alma)

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