Alte Reben und ihr Geheimnis

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Beim Weinkauf haben Sie vielleicht schon öfters den Satz „Dieser Wein ist aus alten Reben gekeltert“ gehört. Händler, Winzer, auch Journalisten benutzen diese Aussage häufiger. Damit wollen sie verdeutlichen, dass es sich bei jenem Gewächs um etwas Besonderes handelt. Aber was macht alte Reben und ihre Weine eigentlich so außergewöhnlich? Dieser Frage gehen wir im Folgenden nach.

Ab wann sind Reben alt?

Klären wir zuerst, was eine „Alte Rebe“ überhaupt ist. Ein Blick ins Gesetzbuch hilft uns diesbezüglich nicht weiter: Vom Gesetzgeber gibt es nämlich keine Angaben, ab wann Reben „alt“ sind und ebenso keine Vorgaben, wann ein Weinetikett den Zusatz “Alte Reben” bzw. in Spanisch “Cepas Viejas” tragen darf.

Lesen wir im weltweit anerkanntesten Weinbuch “The World Atlas of Wine”, dann bringt uns das schon weiter. Hierin datieren die Autoren Hugh Johnson und Jancis Robinson eine „alte Rebe“ auf dreißig Jahre und mehr. Als Grund führen sie auf, dass bei den meisten Reben die Erträge etwa ab dem 25. Lebensjahr nachlassen. Häufig roden Winzer dann die als unwirtschaftlich angesehenen Stöcke und pflanzen neue Bestände an.

Die von Johnson und Robinson genannten dreißig Jahre sind ein Orientierungswert, auf den sich die Weinwelt – Plusminus fünf Jahre – geeinigt zu haben scheint. Liest man in Fachmagazinen und Blogs, so fällt praktisch immer eine Altersangabe, die zwischen 25 und 35 Jahren liegt.

So wirklich alt ist das aber noch nicht. Gerade in Spanien gibt es viele Weinberge, deren Reben ein Alter von 80 bis 120 Jahren besitzen. In Regionen wie Rías Baixas und Rueda sind manche Stöcke sogar bis zu 200 Jahre alt, weil sie von der großen Reblausplage Ende des 19. Jahrhundert verschont blieben. Ein Grund dafür sind die sandigen Böden in diesen Gebieten. Die Reblaus, welche die Wurzeln der Stöcke befällt, kann sich im sandigen Untergrund schlecht fortbewegen. Last, but not least finden sich auf den Kanaren ebenfalls Reben im Alter von 200 Jahren und mehr. Die Inselgruppe im Atlantik wurde nie von der Reblaus heimgesucht.

Alte Reben. Hier Rueda.
157 Jahre alte Rebe in Rueda. Man beachte den sandigen Boden. (Foto: Thomas Götz)

Was macht alte Reben so besonders?

Die Erträge von 100 Jahre alten Reben können um das Drei- bis Vierfache niedriger liegen als jene von jungen Reben. Das macht sie eigentlich unwirtschaftlich. Warum lassen manche Winzer ihre Rebstöcke trotzdem bis ins hohe Alter wachsen?

Eine Ursache dürfte in der Qualität der Trauben liegen. Zwar lassen die Erträge nach; aber die Qualitäten, so heißt es gemeinhin, erhöhen sich: Die Moste aus alten Reben gelten als aromatisch komplexer und reicher an Extrakt. Aufgrund dieser häufig besseren Qualität und der naturgegeben kleinen Bestände, lassen sich die Weine immerhin zu höheren Preisen verkaufen.

Ein weiterer Grund liegt in der Überlebensfähigkeit. Die Wurzeln von alten Reben reichen bis zu zwanzig Meter tief in die Erde. Alte Reben sind somit in der Lage mehr Nährstoffe und Feuchtigkeit aus tieferen Bodenschichten zu ziehen. Mit Hitze und Dürreperioden kommen sie folglich besser klar als junge Reben. In Spanien ist das natürlich ein Vorteil, denn im Sommer sind weite Landesteile enormer Trockenheit ausgesetzt. Im Gegensatz zu jungen müssen alte Reben auch nicht künstlich bewässert werden, was in den vielen wasserarmen Standorten auf der Peninsula einen nochmaligen Bonus darstellt und Ressourcen schont.

Die Weintipps von Vino & Alma

Ein Weißwein aus zum Teil besonders alten wurzelechten Reben ist der Anadigna Sobre Lías. Er stammt aus dem Anbaugebiet Rias Baixas in Galicien und wird aus der Rebsorte Albariño gewonnen. Typisch für Rías Baixas sind die vielen Mikro-Parzellen, welche Familien neben ihren Häusern bewirtschaften. Aus solchen Parzellen mit bis zu 165 Jahre alten Reben wird dieser Wein gewonnen. Da es sich um Granitsandböden handelt, blieben sie von der Reblaus verschont.

Alte Reben. Rias Baixas
Winzer Carlos Rey Lustres, Bodega Anadigna, mit einer ca. 160 Jahre alten Albariño-Rebe in Rías Baixas (Foto: Thomas Götz)

Eine Besonderheit ist ferner, dass diese alten Reben in Rías Baixas in Pergola-Erziehung gehalten werden. So nah am Atlantik bietet sich das an, denn das hierbei entstehende Blätterdach schützt die Trauben vor dem Regen, der in diesem Landesteil so reichlich fällt. Zudem werden die Rebgärten bei diesem Erziehungssystem gut durchlüftet. Der Anadigna Sobre Lias ist ein mineralischer Weißwein mit cremiger Textur, reifen Fruchttönen, frischen Zitrusaromen und hervorragend integrierter Säure.

Anadigna Sobre Lias
Weißwein aus alten Albariño-Reben

Die klimatischen Gegensätze zwischen dem grünen und regenreichen Rías Baixas am Westatlantik und der heißen und trockenen Appellation D.O. Bullas im östlichen Mittelmeerraum könnten kaum größer sein. Auf einer Höhe von 800 m.ü.NN bewirtschaftet das Weingut Hydra seine Weinberge. Bullas ist – wie die Nachbarregion Jumilla – ein Zentrum der Rotweinsorte Monastrell. Aus bis zu 100 Jahre alte Reben mit einem Hektarertrag von lediglich 900kg Trauben entsteht der 1000 Acordes, ein weicher, würziger und eleganter Rotwein mit toller Struktur und Fülle am Gaumen und animierend langem Abgang.

1000 Acordes
Rotwein aus alten Monastrell-Reben

Auf der zentralspanischen Hochebene finden sich natürlich ebenfalls Weinberge mit alten Rebstöcken. In der D.O. Ribera del Duero – 170 km nördlich von Madrid – befindet sich auf rund 900 Metern Höhe das Familienweingut Lambuena. Aus 80 Jahre alten Tempranillo-Reben keltern die Geschwister Andrés, Ana und Pedro ihren Lambuena Reserva – ein fleischiger, komplexer und expressiver Rotwein mit 18 Monaten Ausbau in Barriquefässern.

Lambuena Reserva
Rotwein aus alten Tempranillo-Reben

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