Der Preis des Weins

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Was macht den Preis eines Weins aus? Wie kommt es, dass Qualitätsweine so unterschiedliche Preise haben? Unser Autor geht diesen und anderen Fragen im folgenden Beitrag nach.

Treffen sich vier Freunde zu einem Weinabend. Auf dem Programm stehen zwei Weißweine für  8,90 bzw. 24,90 Euro sowie zwei Rotweine für 7,30 bzw. 34,90 Euro. Am Ende des Abends sind sich die Freunde einig, dass ihnen die zwei günstigen Weine genau so gut gefallen, wie die teureren Gewächse. Zwei Personen mundete der günstige Rotwein sogar besser als der um das fast Fünffache höherpreisige Wein. 

Gibt es nicht? Gibt es doch! Ist dem Autor dieses Beitrags vor ein paar Monaten genau so passiert. Da stellt sich doch die Frage: Wie kann es sein, dass ein Rotwein für 7,30 Euro allen Leuten genauso gut bzw. einigen sogar besser schmeckt, als einer für 34,90 Euro?

Der günstige Rotwein war frisch, saftig, gut balanciert, überraschend elegant und insgesamt sehr schön zu trinken. Der teurere Rotwein war im Vergleich schwerer, komplexer, konzentrierter und weniger zugänglich. In anderen Worten: Man kann hier kaum von besser oder schlechter sprechen, sondern von einer gänzlich anderen Weinstilistik. 

Ferner bestehen Unterschiede in der Weinbereitung: Der günstige Rotwein für 7,30 Euro wird im Stahltank vergoren und 10 Monate in großen alten Holzfudern ausgebaut. 186.000 Flaschen füllt das Weingut im Jahr davon ab.

Der Rotwein für 34,90 Euro ist ebenfalls im Stahltank vergoren. Danach reift er hingegen für 18 Monate in neuen (und somit teuren) französischen Barriques. Außerdem handelt es sich um eine limitierte Auflage von 6800 Flaschen. Last, but not least ergeben die 60 Jahre alten Reben dieses Weins weniger Traubenerträge. Unter anderem solche Faktoren schlagen sich in einem höheren Preis nieder. Wie Weinpreise entstehen, darauf geht dieser Beitrag ein.

Die „harten“ Faktoren: Ertragsreduzierung, neue Fässer, etc. wirken sich auf Weinpreise aus.

Warum ein Wein kostet was er kostet, lässt sich in vielen Fällen logisch nachvollziehen, sofern man den Kontext kennt. Das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie Ertragsmenge und Herstellungskosten wirken sich auf den Preis aus. Folgende sechs Punkte sind unter anderem zu beachten.

1) Weniger Erträge, höhere Qualität: Ertragsreduzierung und sanfte Pressung

Eine unumgängliche Regel des Qualitätsweinbaus lautet: Wer guten Wein erzeugen will, muss dafür sorgen, dass die Rebe wenig Trauben trägt. In anderen Worten: Winzer, die ihre Erträge konsequent reduzieren, arbeiten mehr im Weinberg und erhalten weniger Lesegut, Dafür eines mit höherer Qualität. Dies trifft gleichermaßen auf alte Reben zu, die von Natur aus deutlich weniger Trauben tragen als junge Reben. Auch die Qualitäten alter Reben gelten als besser. 

Ein weiterer Qualitätsfaktor – die Menge betreffend – ist die Intensität der Pressung. Wer sanft presst, erhält weniger Wein, dafür hochwertigere Moste. Denn: Je stärker man presst, umso mehr Bitterstoffe gehen zum Beispiel aus den Kernen in den Most über.

Kurz gesagt: Wer 3000 kg Trauben je Hektar erntet und den in den Beeren enthaltenen Saft nur zu 50 Prozent auspresst, der wird am Ende mehr für seinen Wein verlangen müssen, als wer 7000 kg Trauben je Hektar erntet und diese zu 70 Prozent auspresst. In diesem Fall schlägt sich Qualität im höheren Preis nieder.

2) Der Keller: Neue oder gebrauchte Barriques? Französische oder amerikanische Eiche?

Ein Equipment auf dem neuesten Stand der Technik schlägt sich in den Betriebskosten nieder. Je nachdem, welche Geräte und welche Behältnisse bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen, wirkt sich das auf den späteren Weinpreis aus. Neue Barriques sind beispielsweise teurer als gebrauchte. Wer Weine nur in neuen Fässern ausbaut, muss diese zudem permanent ersetzen. Das verursacht hohe Kosten. Außerdem: Fässer aus französischer Eiche sind teurer als jene aus amerikanischer. Und auch die Qualität sonstiger Gerätschaften wie Abfüllanlage und Gärtanks macht einen Unterschied in den Materialkosten.

3) Das Zubehör: Verschluss, Etikett und Flaschentyp nehmen Einfluss auf Weinpreise.

Der Weinpräsentation kommt eine zunehmende Bedeutung zu. „Das Auge trinkt mit“, könnte man sagen. Für die Gestaltung von Etiketten werden PR-Agenturen, Designer und manchmal sogar Künstler engagiert. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Papierqualitäten und diverse Flaschentypen, die sich preislich aufgrund von Form und Dicke unterscheiden. Die Verschlüsse sind ein weiterer Kostenfaktor. Hochwertige Ganzstück-Naturkorken sind deutlich teurer als aus Korkresten gepresste Korken oder Schraubverschlüsse. 

Je nachdem welche Ausstattung ein Weingut in Bezug auf Etikett, Flasche und Verschluss wählt, kann dies bis zu drei Euro Unterschied in den Kosten bedeuten. Selbstverständlich schlägt sich dies im späteren Weinpreis nieder.

4) Maschinen- vs. Handarbeit im Weinberg

Spanien ist ein unglaublich vielseitiges Weinland. In den Hochebenen von Kastilien-La Mancha und Kastilien-León erstrecken sich riesige weite Weinfelder, die einfach mit Maschinen bearbeitet und abgeerntet werden können. In Berggebieten wie dem Priorat, den Montés de Málaga oder der Sierra de Gredos ist an Maschinenarbeit dagegen nicht zu denken. Viele Weinberge sind schwer zugänglich und können ausschließlich von Hand bestellt werden. Das ist natürlich zeitaufwändiger und kostspieliger für die Weingüter. 

Steillagen bedingen mehr Arbeit und höhere Weinpreise
Diese terrassierten Steillagen in Ribeira Sacra können nur von Hand bearbeitet werden und kosten Geld bei der Instandhaltung. Das wirkt sich auf die Weinpreise aus. (Foto: Thomas Götz)

Zwar klingt es romantisch, wenn Weinberge mit echter Handarbeit bestellt und manchmal sogar mit Hilfe von Pferden umgepflügt werden. Aber die Trauben aus den riesigen und maschinell bestellten Weinfeldern sind deshalb im Vergleich nicht zwangsläufig schlechter. Diesbezüglich spielen andere Kriterien wie Bodenstruktur und die Klimabedingungen im jeweiligen Jahrgang eine wichtigere Rolle.

5) Die Größe des Erzeugers kann Einfluss auf Weinpreise haben

Im riesigen Weinland Spanien gibt es nicht wenige Weinbetriebe, die 10 Millionen Flaschen im Jahr oder mehr abfüllen. Solche Großerzeuger können Gewinnmargen niedriger ansetzen als ein kleiner Weinbetrieb mit 30.000 Flaschen Jahresproduktion. Ihre Gewinne erzielen die Großbetriebe über den Massenverkauf und nicht so sehr über hohe Gewinnspannen. Das ist ein Grund, weshalb es viele gute spanische Weine im günstigen Preissegment gibt. Kleine Erzeuger können da preislich kaum mithalten. Ihre Stärke liegt darin, nicht nur gute, sondern individuellere und somit interessantere Weine zu keltern. Dies rechtfertigt wiederum höhere Weinpreise.

6) Limitierte Auflagen: Einzellagenweine ergeben oftmals höhere Weinpreise

Marktwirtschaft lässt sich auf eine einfache Formel reduzieren: „Angebot und Nachfrage regeln den Preis“. Ist die Nachfrage nach einem Wein größer als das Angebot, dann bedeutet dies einen höheren Preis. Das trifft oftmals auf limitierte Einzellagenweine zu. Manche dieser Parzellenweine kommen auf eine Auflage von plusminus 1000 Flaschen. Sind die Weine populär, ist die Nachfrage größer als der Vorrat.

Die „weichen“ Faktoren: Der Einfluss von Weinkritik, Prestige und Alter auf die Weinpreise

Selbst bei absoluten Spitzenweinen liegen die reinen Herstellungskosten selten höher als 12 Euro. Dennoch schießen manche Weinpreise derart „durch die Decke“, dass es mit dem alleinigen Blick auf Zahlen nicht rational nachvollziehbar ist. Bei diesen Weinen spielen weniger die Produktionskosten, sondern vor allem „weiche“ Faktoren eine Rolle. Wie auf dem Kunstmarkt gibt es auch bei Weinen eine Preisbildung, die auf Weinkritik, Prestige und kultartige Verehrung beruht. Ein anschauliches Beispiel stellt Spaniens berühmtester Wein „Pingus“ dar.

Das Weingut Dominio de Pingus wurde erst in den 1990er-Jahren vom dänischen Weinmacher Peter Sissek ins Leben gerufen. Sissek, Jahrgang 1962, war bereits Önologe bei Hacienda de Monasterio im Anbaugebiet Ribera del Duero tätig, als er 1995 vier Hektar Land für ein eigenes Projekt unter Vertrag nahm und aus der Lese des selben Jahres den ersten Pingus-Wein kelterte. 

Dieser Jahrgang 1995 kam zwei Jahre später auf den Markt. Der anfänglich vorgesehene Handelspreis von umgerechnet etwa 30 Dollar pro Flasche entsprach dem Wert eines gehobenen Qualitätsweins. Bereits ein halbes Jahr später lag der Preis um das 7-fache (!) höher. Der Grund: “Einer der großartigsten und spannendsten Weine, die ich je verkostet habe”, schrieb damals Robert Parker. Ein solch glänzendes Urteil des obersten Weingurus hilft den Wert eines Weins erheblich zu erhöhen.

Einen weiteren Preissprung löste der Untergang eines Transportschiffs im November 1997 aus. Zur Ladung des Tankers, der in die USA unterwegs war, gehörten 900 Flaschen des ersten Pingus-Jahrgangs. Sie versanken mit dem Schiff im Atlantischen Ozean. Der mengenmäßig ohnehin kleine Jahrgang (3900 Flaschen) wurde somit noch knapper. In den USA schossen die Preise deshalb und auch aufgrund dieser unfassbaren Begebenheit nochmals deutlich nach oben. Statt der kalkulierten 200 Dollar kostete die Flasche nun 500 Dollar. Bis heute hat sich dieser Preis für einen Pingus weiter verdoppelt – als Resultat einer steigenden Nachfrage bei gleichbleibend niedriger Produktion.

Zwei Faktoren haben vorrangig dazu beigetragen, dass der Pingus zu Spaniens teuerstem (Kult)Wein avancierte: das überragende Urteil des weltweit bedeutendsten Weinkritikers und eine unglaubliche Geschichte wie der Untergang eines Frachtschiffs. Ein junges Weingut und ein junger Wein wurden so innerhalb kürzester Zeit zur Legende.

Der Liv-ex Index als Preisbarometer für Spitzenweine

Damit hat es der Pingus als einer von nur zwei spanischen Weinen in den sogenannten “Liv-ex” geschafft. Jener Liv-ex ist ein Gradmesser für das Ansehen, die Reputation und Bedeutung eines Weins. Es handelt sich in erster Linie um ein Preisbarometer für Top-Weine – ein Index, an dem sich Sammler und Anleger weltweit orientieren. 

In der Liv-ex 2017 Klassifikation für alle Weine außerhalb des Bordeaux-Gebiets tauchen nur zwei spanische Gewächse auf: der erwähnte Pingus und der Unico von Vega Sicilia, ebenfalls aus Ribera del Duero. Nicht einmal die Prestigeweine von namhaften Weingütern aus dem Rioja und Priorat finden darin Eingang. 

Für manche Personen ist Wein nicht Genuss, sondern eine Geldanlage, die mit zunehmendem Alter an Wert gewinnt. Gerade mit teuren Prestigeweinen wie Pingus und Unico können sich über Jahrzehnte ggf. große Zugewinne erzielen lassen. Mit Abstand am höchsten werden allerdings die Gewächse aus dem Bordeaux und Burgund gehandelt.

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