Spanischer Wein – die Trends 2020 und darüber hinaus

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Das Jahrzehnt ist in vollem Gange und mit ihm die Frage wohin die (Wein)Welt steuert. Klimawandel, Wassermangel und Strafzölle sind allgemeine politische und gesellschaftliche Themen, die auch die Weinbranche in Atem halten. Darüber hinaus haben wir in Spanien bezüglich Weinerzeugung und Weinkonsum in den letzten Jahren einige Entwicklungen und Trends beobachtet, die sich 2020 und in den Folgejahren verstetigen bzw. verstärken dürften. Fünf Punkte stellen wir nun vor.

1. Hochlagen gewinnen nochmals an Bedeutung

Mit 625 Metern im landesweiten Durchschnitt ist Spanien nach der Schweiz das zweithöchste Land Europas. Trotz der südlichen Breitengrade, auf denen sich Spanien befindet, ermöglichen die Höhenlagen den Winzern zumeist frische Weine mit guten Säurewerten zu erzeugen. In Andalusien liegen auf 1400 m.ü.NN die höchsten Weinberge in ganz Europa. In jenen Hochlagen kühlt es selbst im Sommer nachts ab. Dieser Umstand lässt die Trauben optimal reifen. Auch in der Sierra de Gredos nahe Madrid finden sich Weinlagen auf weit über 1000 m Höhe. Insbesondere die Weine aus dieser Region sorgen mit ihrer Frische und Eleganz seit einigen Jahren für Furore.

Ob Zentral- oder Südspanien: „Bergweine“ dürften zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht, wenn es um Masse, sondern um Klasse geht. Mit den steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels wird sich die Suche nach geeigneten Höhenlagen für den Weinanbau fortsetzen. In nicht allzu ferner Zeit werden wir auf dem spanischen Festland Weinberge auf über 1500 m Höhe sehen.

Foto 1: Weinberge in der Provinz Granada auf 1300 m Höhe (Foto: Thomas Götz).

2. Neue Regionen im Fokus: Kanaren, Kantabrien & mehr

Spanien ist das Land weltbekannter Weingebiete wie Rioja, Ribera del Duero und Priorat. Anbauregionen wie Rueda, Rías Baixas, Penedès, Navarra und Jumilla dürften vielen Weinliebhabern ebenfalls geläufig sein.

Insgesamt gibt es 67 Qualitätsweingebiete mit D.O.-Status (Stand Januar 2020). Das ist eine ganze Menge, und immer wieder liegen neue Regionen im Trend. Derzeit erfahren die Anbaugebiete D.O. Ribeira Sacra (Galicien), D.O. Vinos de Madrid sowie Gewächse von den Kanarischen Inseln viel Aufmerksamkeit unter Experten und Weinfreaks. So unterschiedlich diese Gebiete, ihre Weine und Rebsorten sein mögen: Es handelt sich übergreifend um keine superschweren und superkonzentrierten Granaten wie sie lange in Mode waren, sondern tendenziell um Weine, die deutlich mehr Filigranität und Feinsinn zeigen. Die genannten Regionen werden auch 2020 von sich Reden machen und bald dem spanischen „Weinkanon“ angehören.

Und wo liegen die nächsten Trends? Eine große Zukunft könnte den mediterranen Bergweinen der D.O. Sierras de Málaga und den atlantischen Weinen der IGT Costa de Cantabria (Kantabrien) bevorstehen. Bislang noch weitgehend unbekannt, lohnt es sich, diese Anbaugebiete im Auge zu behalten und ab und zu ins Glas zu gießen.

3. Rotweine mit mehr Frucht und weniger Holz

Vermehrt gelangen spanische Rotweine in den Handel, die jung getrunken werden und so gemacht sind, dass die Primärfrucht im Vordergrund steht. Im manchen Fällen werden sie nur im Stahltank ausgebaut. Die meisten Rotweine landen zwar nach wie vor im Holzfass, um mehr Struktur (Tannine) zu erhalten. Viele Winzer beachten dabei allerdings, dass Röstaromen und Gewürznoten – wie sie vom Barriqueausbau resultieren – den Wein weniger dominieren als das in früheren Zeiten der Fall war. Stattdessen geht es darum, eine klare Frucht und Frische herauszuarbeiten. Dieser Trend wird sich 2020 fortsetzen und verstärken.

Der Fokus aufs Terroir (siehe Punkt 4 unten) sowie die Betonung von Frucht führen dazu, dass die bisherige Qualitätseinteilung in Crianza, Reserva und Gran Reserva – welche sich auf die Dauer der Reifezeit in Barrique und Flasche beziehen – zunehmend an Bedeutung verliert. Nicht wenige Weingüter verzichten mittlerweile freiwillig auf diese Angaben, selbst wenn ihre Weine die Voraussetzungen für eine Crianza, Reserva, etc. erfüllen. Bei einigen ruhmreichen Marken wie beispielsweise Viña Tondonia und Castillo Ygay sind diese Bezeichnungen hingegen Tradition und werden sicher erhalten bleiben.

Weinkeller Anadigna

Foto 2: Der Weinausbau im Holzfass spielt nach wie vor eine Rolle. Insgesamt gehen Spaniens Weinmacher heute behutsamer damit um.

4. Terroir und Einzellagen im Mittelpunkt

Holen wir kurz aus: Das spanische Weingesetz basiert derzeit auf zwei Säulen der Qualitätseinteilung – Herkunft und Reife. Ein Beispiel: Mit der Angabe „DOCa Rioja“ vermittelt ein Etikett, dass der vorliegende Wein aus einem bestimmten Qualitätsweingebiet stammt. Mit der Angabe „Reserva“ wird darüber hinaus garantiert, dass der Wein mindestens 36 Monate gereift ist, davon mindestens 12 Monate in Barriquefässern und die restliche Zeit in der Flasche.

Nun gibt es in einem 65.000 Hektar großen Weingebiet wie der DOCa Rioja ziemlich viele Weine, die als „Reserva“ ausgebaut sind. Und sehr viele davon sind leider sehr schlecht, obwohl sie diese (vermeintlich) hohe Qualitätsauszeichnung tragen.

Deshalb wurde kürzlich im Rioja eine neue, ergänzende Klassifizierung eingeführt, bei der nicht der Ausbau im Weinkeller (Crianza, etc.), sondern die Weinlage (sprich das Terroir) im Fokus steht. Weine aus als besonders hochwertig eingestuften Lagen können nun das Siegel „Viñedo Singular“ führen. Ebenfalls ganz neu sind im katalanischen DOCa Priorat Klassifikationen wie „Vi de Vila“ und „Gran Viña Clasificada“ (ähnlich Ortsweinen bzw. Großen Gewächsen in Deutschland). Hierbei entsteht eine sich nach oben zuspitzende Qualitätspyramide, basierend auf Terroir.

Solche ergänzenden Klassifikationen – welche den Wert und die Qualität von Weinlagen ausdrücken – werden wir zukünftig nicht nur in Rioja und Priorat, sondern in vielen spanischen Weingebieten sehen. Der Weinberg löst den Weinkeller in der Hierarchie schrittweise ab.

5. Weitere Trends 2020: rebsortenreiner Ausbau und autochthone Reben

Spanien war lange Zeit ein klassisches Cuvée-Land. Der typische „Rioja“ bestand zum Beispiel stets aus der Hauptsorte Tempranillo, die in geringem Anteil mit Reben wie Graciano, Garnacha, Mazuelo oder sogar der weißen Viura vermählt wurde.

Heute kommt die Tempranillo in Rioja-Weinen oftmals sortenrein vor. Und sogar die einstigen Verschnittsorten Graciano und Cariñena (Mazuelo) treten als Einzeldarsteller auf. Dieser Trend lässt sich übrigens in ganz Spanien beobachten: Neben den nahezu überall verbreiteten Sorten Tempranillo und Garnacha, finden wir eine schier unendliche Zahl regionaler autochthoner Trauben, denen sich die Weinmacher vor Ort zuwenden. Achtung, diese Liste wird lang: Bobal, Monastrell, Forcallat (Levante), Moscatel, PX, Romé (Andalusien), Airén, Tinto Velasco (La Mancha), Albillo, Juan García, Bruñal, Verdejo, Mencía (Kastilien-Leon), Albariño, Godello, Merenzao, Treixadura, Espadeiro (Galicien), Listan Negro und Blanco, Marmajuela, Negramoll (Kanaren) und sehr viele Rebsorten mehr.

Diese extreme Diversifizierung und Regionalisierung bezüglich der verarbeiteten Rebsorten im Qualitätsweinbau wird 2020 und darüber hinaus zunehmen. Für den Konsumenten bedeutet das potenziell mehr Abwechslung. Und für den Handel ist es eine große Herausforderung dieser Vielfalt des Weinlands Spanien im Sortiment gerecht zu werden.

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