Was ist Mineralität im Wein?

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Auf Weindegustationen hört man häufig Sätze wie „dieser Wein schmeckt mineralisch“ oder „der Wein hat einen mineralischen Charakter“. Was aber bedeutet mineralisch, bzw. was ist Mineralität im Wein? Zweifellos ist dies eine der am schwierigsten zu beantwortenden Fragen, wenn es um die Weinsprache geht. Davon lassen wir uns jedoch nicht abschrecken. In diesem Beitrag nähern wir uns dem Begriff und seiner Bedeutung an.

Was bedeutet Mineralität?

Der Duden kennt das Wort Mineralität übrigens gar nicht. Folglich scheint es sich um einen Begriff zu handeln, der einzig in der Weinsprache verwendet wird. Das Adjektiv „mineralisch“ wird im Wörterbuch mit „aus Mineralien bestehend“ definiert. Mineralien sind laut Duden wiederum „in der Erdkruste vorkommende anorganische, homogene, meist kristallisierte Substanzen“. In die Allgemeinsprache übersetzt handelt es sich also um: Gesteine. 

Eine Sache ist schon mal klar: Ein Wein enthält keine solchen Mineralien und kann somit im wortwörtlichen Sinne auch nicht mineralisch sein. Ebenfalls enthält Wein keine Tiere und kann deshalb im wortwörtlichen Sinne auch nicht animalisch sein. 

Trotzdem gibt es Weine, die einen mineralischen (und animalischen) Eindruck vermitteln. Man darf die Weinsprache schlichtweg nicht zu wörtlich nehmen: Es geht selten um die Beschreibung eines objektiven Zustands, sondern um die Darstellung einer Sinneswahrnehmung. Wenn ein Wein als „blumig“ beschrieben wird, dann ja nicht, weil er Blumen enthält, sondern weil sein Geruch und Geschmack an florale Aromen erinnern.

Genauso verhält es sich im Grunde mit der Mineralität: Ein Wein kann mit seinem Geruch und Geschmack und anhand seiner Textur an Steine, Felsen, Kristalle oder generell einen erdigen Untergrund erinnern. Es geht hierbei um eine Assoziation, die beim Weingenuss aufkommt. Dies als allgemeine Vorbemerkung. Versuchen wir nun der Sache auf den Grund zu gehen.

Wie riecht und schmeckt Mineralität im Wein?

Haben Sie schon einmal an einem Stein geleckt? Ich gerade eben für diesen Artikel an einem Schieferstein zum ersten Mal. Um es kurz zu fassen: Er hat nach rein gar nichts geschmeckt, und ebenfalls nach überhaupt nichts gerochen. Ich habe mir ferner die Mineraliensammlung meines Sohns ausgeliehen und an zwei Exemplaren gelutscht. Wiederum nicht die geringste Spur irgendeines Geruchs oder Geschmacks.

Wenn Ihnen vermeintliche Experten erzählen, dass ein Moselriesling nach Feuerstein schmeckt, weil seine Reben auf Schieferboden wachsen, dann würde ich als erstes in Zweifel ziehen, ob diese Experten überhaupt wissen wie Feuerstein schmeckt. Als Zweites würde ich in Zweifel ziehen, dass es einen Zusammenhang zwischen Schiefer und Mineralität im Wein gibt. Nur weil ein Wein auf steinigem Boden wächst, muss er nicht zwangsläufig mineralisch schmecken. Das Thema des Weinbaus und der Weinbereitung ist zu komplex, als dass es so einfach sein könnte. 

Wie also riecht, bzw. schmeckt Mineralität? Zwei Beispiele: Wenn ein Wein nach staubtrockener oder feuchter Erde riecht – manche tun das durchaus – dann kann man ihn als (erdig-)mineralisch bezeichnen. Und ein Wein, der salzige Noten im Abgang hat, darf auch als (salzig-)mineralisch beschrieben werden. Insgesamt finde ich es aber schwierig Mineralität als Geschmacks- oder Geruchsrichtung zu definieren.

Für mich sind es oftmals nicht Geschmack und Geruch, die mineralische Assoziationen aufkommen lassen, sondern vielmehr die Textur eines Weins, also wie er sich im Mund anfühlt. Wenn sich die Textur eines Weins leicht aufgeraut anfühlt – ich sage dann gerne, dass der Wein „Grip“ hat – dann hat das für mich einen mineralischen Charakter. Mineralische Weine wirken oftmals straff, klar und direkt am Gaumen. Wenn ein Weißwein buttrig daherkommt und ein Rotwein mollig, dann fallen sie eher nicht in diese Kategorie.

Schieferböden in Málaga. Mehr Mineralität im Wein?
Schieferböden, wie hier in der D.O. Sierras de Málaga, sind spektakulär. Aber es ist nicht zwingend so, dass die Weine daraus mineralischer wären als solche von anderen Böden (Foto: Thomas Götz).

Wie kommt die Mineralität in den Wein?

Ich hatte es bereits angedeutet: Weine, deren Reben auf Böden mit hohem Anteil an Schiefer-, Granit-, Quartz- oder Kalkgestein wachsen, werden oftmals in Verbindung mit viel Mineralität gebracht. Das ist eine These, die einer logischen Betrachtung kaum standhält.

Zweifellos kommt den Böden eine enorm wichtige Bedeutung im Weinbau zu: Sie nehmen Einfluss auf die Wasserversorgung der Rebe, auf ihre Aufnahme von Nährstoffen und vieles mehr. Die Art und Weise wie ein Boden beschaffen ist (organische Stoffe, Mineralstoffe, Dichte, ph-Wert, etc.), hat Einfluss auf das Wachstum und die Traubenproduktion der Rebe und somit auf den späteren Wein. Trotzdem treffen solche populären Gleichungen wie Schieferboden = mineralischer Wein bzw. Lehmboden = weicher Wein nicht zu. Die Materie ist komplizierter als das, dazu die folgende Erklärung.

Um zu überleben und um zu wachsen, benötigt die Rebe Nährstoffe. Eine wichtige Funktion kommt dabei Mineralstoffen wie Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Phosphor und Schwefel zu. Sie alle nimmt die Rebe durch ihr Wurzelwerk auf, und sie alle sind im Wein enthalten. Allerdings finden sich Mineralstoffe in solch geringen Mengen im Wein, dass sie nicht schmeckbar sind. Außerdem ist es so, dass weiche lehmige Böden ebenfalls Mineralstoffe enthalten. Unter Umständen sogar mehr als ein Schiefer- oder Granitboden.

Hingegen kann die Zusammensetzung, also der verhältnismäßige Anteil von Mineralstoffen im Wein eine Auswirkung auf dessen Textur haben. Viel Calcium macht den Wein zum Beispiel härter, viel Magnesium weicher. Somit landen wir wieder beim Mundgefühl, über das wir – wie zuvor geschildert – Mineralität am ehesten wahrnehmen können. 

Fazit

Wein trägt viele Geheimnisse in sich, das macht das Thema so faszinierend. Zu diesen Geheimnissen gehört auch die Mineralität. Sie ist und bleibt ein Phänomen, das kaum vollständig entschlüsselt werden kann. Mineralität – das sei nochmals gesagt – bedeutet nicht, dass ein Wein nach Schiefer oder Feuerstein schmeckt, weil seine Reben auf einem solchen Untergrund wachsen. Solche Thesen fallen in den Bereich Wunschdenken. Wie in so vielen Fällen darf man die Weinsprache nicht wortwörtlich nehmen.

Generell lässt sich sagen, dass Mineralität weniger eine Geruchs- und Geschmacksrichtung darstellt (abgesehen von den oben genannten Beispielen), sondern wie ich es verstehe einem Gefühl von Griffigkeit, Grip und „Haftung“ im Mund nahekommt. Manche Weinexperten sprechen mineralischen Weinen auch eine seidige oder schmirgelige Textur zu. Wie auch immer man das Kind beim Namen nennt: Nach heutigem Verständnis geht Mineralität in eine leichter oder stärker aufgeraute Richtung, was das Mundgefühl beim Weingenuss betrifft.  

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