Die Weindegustation — Wein bewusst wahrnehmen

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Wenn Wein ganz bewusst verkostet und konzentriert wahrgenommen wird, dann spricht man gemeinhin von einer „Degustation“. Die degustierenden Personen befassen sich dabei einzig mit dem Getränk – dessen Farbe, Duft, Geschmack und Gesamterscheinung. Eine Weindegustation bedeutet nicht einfach nur Trinken, sondern sie stellt ein sinnliches Erlebnis dar. Eine Degustation ist ein Dialog zwischen Mensch und Wein. Für einen Moment existieren nur diese zwei Elemente. Das Umfeld wird im Idealfall völlig ausgeblendet. Beim Degustieren geht es folglich um eine tiefgründige Wahrnehmung von Wein.

Natürlich eignet sich eine Weindegustation weniger für Alltagssituationen, in denen Wein ein zwangloser Begleiter ist. Beim Abendessen mit der Familie oder im Restaurant mit Freunden wirkt das fachkundige Degustieren eines Weins schnell mal aufgesetzt und affektiert. Es sei denn, die Runde hat sich konkret zu einer Weinprobe verabredet. Profis halten bei diesen Verkostungen ihre Eindrücke in Notizen fest. Für gewöhnliche Weinliebhaber ist das nicht zwingend erforderlich. Auch ohne Notizen können sie beim Degustieren viel über einen Wein erfahren und den Genuss steigern. Worauf bei der Weindegustation zu achten ist und wie man es richtig macht, davon handelt der folgende Beitrag.

Die Vorbereitung: Glasauswahl und Weintemperatur

Sie können eine Weindegustation alleine oder mit dem Partner oder im großen Freundeskreis vornehmen. Wichtig bei einer Degustation ist nur, dass der Wein im Mittelpunkt steht. Gespräche (bzw. Gedanken) über Probleme am Arbeitsplatz, mit der Schwiegermutter oder im Bett verbieten sich. Es geht einzig um Wein und nichts anderes!

Absolut elementar für eine Sinn machende Weindegustation sind des Weiteren ein gutes Weinglas und die richtige Weintemperatur. Auf unserem Vino & Alma-Blog haben wir bereits Beiträge hierzu veröffentlicht: Für Sie zum Nachlesen, was ein gutes Weinglas ausmacht und ebenfalls darüber, welche Trinktemperatur für Rot- Weiß- und Roséweine die Beste ist. Deshalb belassen wir es an dieser Stelle mit dem kurzen Hinweis auf die Wichtigkeit von Gläsern und Weintemperatur und gehen nun direkt zur Degustation über. 

Typen von Weingläser
Achten Sie bei einer Weindegustation auf den Einsatz geeigneter Gläser

Die Weindegustation

Die Degustation eines Weins lässt sich in vier Bereiche einordnen: Sehen, Riechen, Schmecken & Fühlen sowie Beurteilen. In praktisch allen Texten zur Weindegustation taucht „fühlen“ nicht auf. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Wein nur duftet und schmeckt. Kritiker bewerten Weine nach den Kategorien Farbe, Geruch, Geschmack und Gesamteindruck. Die Kategorie „Gefühl“ blenden sie aus. Dabei hat Wein auch eine Textur, und je nachdem wie diese ausfällt, fühlt sich ein Wein im Mund anders an. Dies einzig als Vorbemerkung. Kommen wir nun zur Degustation.

Gießen Sie sich bitte ein paar gute Schlucke ein. Das Glas darf gerne bis zu einem Viertel gefüllt sein. Bei manchen Weindegustationen wird derart wenig Wein ins Glas gegossen, dass sich damit gerade einmal die Lippen befeuchten lassen. So lässt sich ein Wein niemals ordentlich verkosten. Sollten Sie am Ende zu viel Wein im Glas haben, schütten Sie den Rest einfach in den Spucknapf. 

Farbe

Als Erstes schauen wir auf die Farbe des Weins, die uns bereits einiges verrät. Dabei sollten wir den Wein vor einem weißen Hintergrund (Tischdecke oder Blatt Papier) betrachten. 

Beginnen wir mit Rotweinen: Je tiefer und dunkler das Rot, umso jünger der Wein (und ggf. umso dickschaliger die Traube). Je älter der Rotwein, umso heller wird er in der Farbe. Ein wichtiger Indikator ist darüber hinaus der Weinrand: Bei jungen Weinen leuchtet er oftmals bläulich-violett und ist insgesamt dunkelfarbig. Bei älteren Rotweinen geht der Rand ins ziegelrote und bräunliche über und wird mit zunehmendem Alter zusehends heller. 

Bei Weißweinen verhält es sich umgekehrt: Sie entwickeln im Alter mehr Farbe: Von grüngelb (junger Weißwein) gehen sie ins Strohgelbe, Rotgoldene und teils sogar ins Bernsteinfarbene über.   

Früher wurde Wein außerdem nach seiner Klarheit beurteilt. Ein trüber Wein galt als fehlerhaft. Heutzutage – mit dem Aufstieg der ungeschönten und ungefilterten Naturweine – macht eine solche Beurteilung keinen Sinn mehr. 

Ideale Wein Temperature Praxistipps
Das Glas darf für eine Degustation gerne zu einem Viertel gefüllt sein

Geruch

Der Nase kommt eine zentrale Bedeutung für den Weingenuss im Allgemeinen und ebenso bei der Beurteilung eines Weins zu: Anfangs riechen wir den Wein konzentriert. Erst danach schwenken wir das Glas, damit sich die Aromastoffe des Weins besser lösen und entfalten können. Den Vorgang aus Riechen und Glas schwenken wiederholen wir nun mehrmals. Lassen Sie sich gerne viel Zeit dabei, denn Wein verändert seinen Duft.

Die Frage, ob ein Wein nach Birne oder Melone, nach Himbeere oder Brombeere duftet, überlassen wir gerne den Sommeliers. Es ist im Grunde vollkommen unnötig, einen Wein in seine aromatischen Einzelbestandteile zu zerlegen. Häufig handelt es sich um pures Angebertum. 

Viel wichtiger sind bei der Weindegustation folgende Fragen: Gefällt mir dieser Duft? Ist der Geruch klar und sauber? Geht der Duft in die fruchtige, florale, erdige oder animalische Richtung oder ist es eine Mischung aus diesen Elementen? Ist es ein frischer Duft oder wirkt der Wein überreif? Einschätzungen dieser Art sind ausreichend, um eine Einordnung vorzunehmen. Stellt man dann zum Beispiel fest, dass ein Weißwein sehr fruchtig daherkommt, kann man gerne noch eine Zuspitzung in Richtung tropisch, gelbfruchtig oder weißfruchtig vornehmen, sofern eine dieser Richtungen besonders dominant auftritt. Häufig ist das aber gar nicht der Fall. 

Manchmal wirkt ein Duft völlig übertrieben, was ggf. auf den Einsatz von gezüchteten Aromahefen bei der Vergärung schließen lässt. Ein anderes Mal duftet ein Wein wiederum fast gar nicht. Dann ist er verschlossen und benötigt möglicherweise etwas mehr Luft und Zeit, um sich zu entfalten. Auch können bestimmte Weinfehler schon beim Riechen erkannt werden. Aber Vorsicht: Nicht jeder Wein, der stinkt, ist fehlerhaft: Stark reduktiv ausgebaute Weine duften unmittelbar nach dem Öffnen der Flasche nicht selten nach Kuhstall oder verbranntem Gummi. Mit etwas Luftkontakt verflüchtigt sich das zumeist.

Geschmack und Mundgefühl

Obwohl die Nase deutlich mehr Aromen wahrnehmen und erkennen kann als der Gaumen, stellt das Trinken des Weins doch den Höhepunkt des Genusses dar. Nehmen sie hierfür einen ordentlichen Schluck und erfühlen Sie den Wein eine Weile lang im Mund. Bitte nicht zu schnell ausspucken oder herunterschlucken.

Im Mund schmecken wir Weinkomponenten wie Süße, Bitterkeit und Säure. An den Zungenrändern lässt sich ferner der Tanningehalt erkennen. Werden sie pelzig, verfügt der Wein über reichlich Gerbstoffe. Am Eingang zur Kehle spüren wir außerdem Alkohol. Wenn es brennt, ist das Gewächs zu alkoholisch geraten.

Außerdem fühlen wir den Wein: Ist die Textur glatt, seifig, seidig, schmelzig, buttrig, samtig oder griffig? Ist der Körper kräftig, mittel oder leicht? Entwickelt der Wein einen Druck und Zug? Hat der Wein Spannung oder fühlt er sich welk an? Ist der Abgang lang oder kurz? Fragen wie diese lassen sich erst beantworten, wenn wir den Wein im Mund haben.

Weindegustation
Auch in größerer Runde kann Wein konzentriert degustiert werden.

Gesamteindruck

Nachdem wir den Wein nun also ausgiebig betrachtet, gerochen, geschmeckt und gefühlt haben, können wir einen Gesamteindruck definieren: Ist dieser Wein harmonisch oder unrund, weich oder hart, üppig oder schlank, expressiv oder zurückhaltend, gewöhnlich oder ungewöhnlich, interessant oder langweilig, tiefgründig oder flach, komplex oder eindimensional, elegant oder rustikal, trinkanimierend oder anstrengend? Es gibt endlos viele Eindrücke, die sich abschließend beschreiben lassen. Dies sind nur einige davon.

Ein paar allgemeine Regeln zur Weindegustation

Um Wein bei einer Degustation mit allen Sinnen erfahren und genießen zu können, gilt es einige allgemeine Regeln zu beachten. Diesbezüglich drei abschließende Hinweise:

Erstens: Bitte nicht den Kelch anfassen, sondern das Glas am Stiel festhalten. Fingerabdrücke auf dem Glaskelch sind unschön und erschweren außerdem das genaue Betrachten des Weins.

Zweitens: Die Herren sollen bitte kein Rasierwasser und die Damen kein Parfüm auftragen. Sie werden den Wein ansonsten kaum korrekt riechen und schmecken können. Gesichtscreme ist ebenfalls skeptisch anzusehen.

Drittens: Bitte kein Kaffee und keine Käsestulle fünf Minuten vor der Degustation. Ihre Geschmacksrezeptoren werden von Kaffee und Käse (Protein) umgepolt und funktionieren für eine Weindegustation nur noch eingeschränkt. Wenn Sie Hunger und Durst vor einer Weindegustation verspüren, dann lieber auf stilles Mineralwasser und Brot mit einem leichten und möglichst geschmacksneutralen Gemüseaufstrich zugreifen.

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