Achtung. Dieser Artikel enthält viele Zahlen. Sie müssen aber kein Mathematik-Diplom besitzen, um ihn zu verstehen. Die USA haben im Oktober sogenannte Strafzölle auf einige EU-Produkte erlassen, darunter auch Wein. 25 Prozent werden neuerdings bei der Einführung von französischen, deutschen und spanischen Weinen fällig. Das macht diese Weine in den USA teurer. Im Vergleich werden die US-eigenen Gewächse aus Kalifornien, Oregon, Washington und New York State somit preislich attraktiver.
Von Protektionismus spricht man, wenn die Politik mittels Strafzöllen die einheimische Wirtschaft bevorteilt. Die Regierung Trump scheint auf dieses Mittel besonders gerne zu setzen. Welche Auswirkungen diese Zölle für die spanische Weinwirtschaft haben mögen, davon handelt dieser Beitrag. Unser Fazit am Ende wird lauten: „Nicht schön, aber es könnte schlimmer sein.“ Warum wir das so sehen, erklären wir Ihnen jetzt.
Die USA sind der weltweit größte Weinimporteur
Zuerst einmal ist festzuhalten, dass die USA der größte Weinimporteur der Welt sind. Rund 16 Prozent aller weltweit exportierten Weine gehen in die USA. Es folgen Großbritannien mit 11 Prozent sowie Deutschland und China als gemeinsame Dritte mit 8,5 Prozent.
Die USA sind selbst auch Weinerzeuger. Erstklassige Weine kommen zum Beispiel aus dem Napa Valley in Kalifornien. Weniger bekannt, aber nicht weniger gut, sind Gewächse aus dem Finger Lake District in New York State, aus Oregon oder Washington State.
Insgesamt verhält es sich bereits vor dem Inkrafttreten der Strafzölle so, dass Zweidrittel der in den USA konsumierten Weine aus dem eigenen Land stammen. Ein Drittel der Weine wird folglich aus dem Rest der Welt eingeführt. Um dieses eine Drittel in Geldwerten auszudrücken: Im Jahr 2018 haben die USA Weine im Wert von 6,5 Milliarden Dollar importiert.
Spanische Weine stehen bei den US-Importen an fünfter Stelle
Spanien liegt in der Gunst US-amerikanischer Weinkonsumenten „nur“ an sechster Stelle. Davor liegen die Weine aus den USA, Frankreich, Italien, Neuseeland und Australien. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass die US-Amerikaner so etwas wie „Rebsorten-Trinker“ sind. Das heißt, die Rebsorte ist vielen wichtiger als Erzeuger oder Region. Die beliebtesten Rebsorten sind bei amerikanischen Konsumenten Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Merlot und Pinot Noir.
Das sind jetzt nicht unbedingt die Sorten, mit denen Spanien auftrumpft, um es einmal nett zu sagen. Natürlich sind Tempranillo, Albarino und auch Godello in New Yorker Restaurants beliebt. Und natürlich sind auch Regionen wie Rioja, Ribera del Duero und Priorat unter Weinkennern gefragt. Aber halt nicht ganz in den Dimensionen, wie die oben genannten Rebsorten.
Darüber hinaus existiert bei den immer populärer werdenden Roséweinen das – nennen wir es mal – provencalische Schönheitsideal. Soll heißen: Mit einem Rosé, der nicht so hell lachsfarben wie jene aus der Provence daherkommt, muss man den amerikanischen Markt gar nicht erst betreten. Spanische Rosés sind zumeist dunkler und deshalb wenig nachgefragt in den USA.
Um das Ganze mit Zahlen zu unterfüttern: Während die USA im Jahr 2018 von Frankreich und Italien jeweils Wein im Wert von über 2 Milliarden Dollar importierten, kommt Spanien im gleichen Zeitraum auf weniger als 400 Millionen Dollar. Im Vergleich zu den zwei anderen großen Weinländern der EU liegen die spanischen US-Exporte somit über 80 Prozent niedriger.
Da die US-Strafzölle erst seit wenigen Wochen wirksam sind, ist es jetzt noch zu früh, um stichfeste Daten über den möglichen Schaden für die spanische Weinwirtschaft zitieren zu können. Angesichts der oben genannten Zahlen kann man aber davon ausgehen, dass die Maßnahmen andere Weinländer wie Frankreich deutlich härter treffen. Seltsamerweise wurde Italien bei den Strafzöllen auf Wein ausgenommen. Italiens Winzer dürfen sich freuen. Dafür hat es den italienischen Parmesan erwischt.
Spanien exportiert 70 Prozent seiner Weinproduktion ins Ausland. Wie schlimm sind die USA-Strafzölle wirklich?
Das waren jetzt schon viele Zahlen. Sind Sie noch da? Wir kommen nun zur Frage, wie wichtig Export im Allgemeinen und der US-Markt im Speziellen für Spaniens Winzer sind.
Spanien ist mit rund 1 Mio. Hektar Rebfläche das größte Weinland der Welt. Bemisst man „Größe“ nicht nach Fläche, sondern nach Litermengen, dann rangieren Italien und Frankreich allerdings vor Spanien. Da auf der iberischen Halbinsel das Klima trockener, die Böden weniger fruchtbar und mehr Weinberge mit älteren Reben bestockt sind, liegen die Erntemengen pro Hektar niedriger.
Der spanische Weinbau kommt dennoch auf stattliche 13 Prozent Anteil am weltweit erzeugten Wein. Die Produktion schwankt freilich je nach Jahrgang. Im Schnitt liegt sie bei etwa 40 Mio. Hektoliter. Davon werden ungefähr 30 Prozent im Inland getrunken, und 70 Prozent gehen in den Export. Auslandsmärkte sind für die spanische Weinbranche somit von elementarer Bedeutung.
Auf die USA bezogen, sind folgende Zahlen interessant: In Litern gerechnet exportiert Spanien in die USA nur 3,5 Prozent seines Gesamtexports. In Euro-Umsätzen gerechnet, kommen die USA hingegen auf 10,5 Prozent des Gesamtexports. Für Spanien sind die USA das viertwichtigste Exportland. Vor den USA liegen Deutschland, Großbritannien und Frankreich (das im Gegensatz zu den USA vor allem billige Massenweine aus Spanien einführt).

USA-Strafzölle? Die Zukunftsmärkte liegen in Asien und Lateinamerika!
Die vorangehenden Zahlen zeigen, dass die USA ein wichtiger Absatzmarkt für spanische Weine sind. Das Land allein dürfte aber für die allermeisten spanischen Erzeuger keinen „lebenswichtigen“ Markt darstellen. Deshalb sind die jetzigen Strafzölle wie wir eingangs sagten zwar unschön, sie sollten jedoch nicht bei allzu vielen Weingütern Existenzängste auslösen. Diese dürften eintreten, falls die USA-Strafzölle nicht die einzigen bleiben – wenn zum Beispiel der Brexit eines Tages wirklich kommt und sich Großbritannien dann ergänzend entscheiden würde ebenso Strafzölle auf Wein einzuführen. Aber das bleibt Spekulation und Zukunftsmusik.
Der Blick spanischer Weinerzeuger richtet sich inzwischen verstärkt auf wichtige Zukunftsmärkte wie China, Hongkong und Südkorea. Auch Russland, Brasilien und Mexiko werden zu immer wichtigeren Abnehmern. Nicht nur in der Politik, sondern auch beim Wein ändert sich über kurz oder lang die Weltordnung. Die USA werden schrittweise an Bedeutung verlieren. Strafzölle können daran nichts ändern, bzw. sie beschleunigen diesen Prozess nur.
Quellenangaben, u.a.: