Bodegas Tempore – ein Interview über Biowein und das Band der Familie

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Bodegas Tempore ist ein Familienweingut, das Weinbau seit vier Generationen betreibt. Paula Yago ist die Geschäftsführerin, und wir haben uns gerade mit ihr auf Zoom unterhalten. Zusammen mit ihrem Bruder Victor hat sie das Weingut im Jahr 2000 gegründet. Er ist für die siebzig Hektar biologisch bewirtschafteten Weinberge zuständig. Ferner arbeiten Paulas Mann Eduardo im Weinkeller und ihre Schwägerin Silvia in der Verwaltung. Die Bodega befindet sich im Landweingebiet V.T. Bajo Aragón und füllt rund 350.000 Flaschen im Jahr ab. Für die Region Aragón, dessen Weinerzeugung an vielen Orten von Kooperativen geprägt ist, ist das eine kleine bis moderate Größe. 

Tempore keltert Weine aus den regionaltypischen Rebsorten Garnacha Tinta, Garnacha Blanca und Tempranillo. In der Grundstilistik zeigen sie Frische, Persönlichkeit und Eleganz. Die Weine sind weniger schwer, weniger alkoholisch und weniger holzbeladen als viele andere Gewächse aus bekannten aragonesichen Anbaugebieten wie Campo de Borja und Somontano. Ferner ist hervorzuheben, dass bei Tempore bereits der Einstieg passt: So bietet zum Beispiel die Garnacha „2019 Terrae Finca Vasallo“ (7,90 Euro) viel Wein für schmales Geld.

Hochinteressant sind die Garnacha- und Tempranillo-Rotweine aus der Reihe „Generación Tempore“. Auf den Etiketten der vier Weine ist die Familie Yago abgebildet. Jeweils ein Portrait von Großvater Antonio Yago, Vater Manuel Yago sowie von Paula und ihrem Bruder Victor. Landschafts- und Weinmotive sind als Fotomontage mit den Personen verwoben. So stellen die Etiketten zum einen die Verbundenheit der Familie mit dem Land und dem Wein dar und zum anderen zeigen sie das fortwährende Band der Familie.

Für Paula – das merkt man im Gespräch schnell – haben nicht nur Gegenwart und Zukunft eine Bedeutung, sondern auch die Vergangenheit. Ihr Großvater ist diesen Sommer übrigens 100 Jahre alt geworden und in guter Verfassung, wie sie erzählt. Sein Rezept für ein langes Leben? Drei Gläser Wein am Tag! Das hört sich doch mal nach einem vernünftigen Tipp an, oder? 

Paula Yago mit ihrem Großvater
Paula Yago mit ihrem Großvater Antonio

Kommen wir weg von den Fragen des Alters und lassen wir im Folgenden Paula Yago selbst zu Wort kommen:

Paula, erzähle uns bitte etwas zu deiner Geschichte. Wie bist du zum Wein gekommen?

Ich bin im Dorf Lécera im südlichen Teil der Provinz Zaragoza geboren. Mein Urgroßvater, Großvater und Vater haben hier bereits Wein angebaut. Mein Urgroßvater hat sogar ein kleines eigenes Weingut besessen. Dann wurde 1950 im Dorf die große Genossenschaft gegründet. Und das bedeutete, dass meine Familie von da an nur noch Wein anbaute und die Trauben an die Genossenschaft verkaufte. Also keinen eigenen Wein mehr kelterte.

Wie kam es dazu, dass ihr euch im Jahr 2000 für ein eigenes Weingut entschieden habt?

Mein Bruder hat Agrarwissenschaften studiert und sich nach seinem Studium entschieden, zurückzukommen und meinem Vater mit den Weinbergen zu helfen. Er war damals 24 Jahre alt und hatte Pläne, etwas eigenes zu realisieren. Ich war seinerzeit in Zaragoza im Marketing beschäftigt. In der Zeit haben mein Bruder, ich und die Familie über die Möglichkeit eines gemeinsamen Weinguts gesprochen und uns gesagt: „Warum nicht?“. Und so haben wir mit Tempore begonnen.

Alte Reben bei Bodegas Tempore
Alte Reben bei Bodegas Tempore. Einige sind über 75 Jahre alt.

Wie ist es seither für euch gelaufen?

Mein Vater besaß dreißig Hektar. Damit haben wir angefangen. Heute sind wir bei siebzig Hektar und wir produzieren etwa 350.000 Flaschen im Jahr. Für die Region sind wir ein kleines Weingut. Mein Vater hatte schon Anfang der 1990er-Jahre auf biologischen Anbau umgestellt, als der erste Weinbauer in unserem Gebiet überhaupt. Das war zu Beginn nicht einfach, weil die Leute nicht an solche Sachen wie biologischen Anbau glaubten und Bioweine für minderwertig hielten. Aber mein Vater und später auch mein Bruder haben daran geglaubt, dass Bio die Zukunft und die richtige Art ist, um das Land zu bestellen. Heute ist es ein großer Vorteil für uns: Es gibt eine Bewegung hin zu Bio. Außerdem haben wir gesunde Böden und gesunde Trauben.

Ihr arbeitet biologisch. Was stellt für euch das größte Problem im Weinbau dar?

Unser Hauptproblem ist der geringe Regen. Wir leben in einer der trockensten Regionen Europas. Der jährliche Niederschlag beträgt in der Regel 275 bis 300 mm. Das ist wirklich wenig. Wir haben 99 Prozent Sonnentage im Jahr, und im Sommer wird es tagsüber bis zu 40 Grad heiß. Die jüngeren Weinberge – also jene, die wir in den letzten 15 Jahren angelegt haben – bewässern wir deshalb mit Tröpfchensystem. Das Wasser kommt von etwa 100 Metern Tiefe, und in Zukunft werden wir es mit Sonnenenergie hochpumpen. Damit sich die Reben nicht zu sehr an Wasser gewöhnen, bewässern wir sie in den ersten drei Jahren jedoch gar nicht. Die Pflanzen wurzeln dann tiefer und das ist wichtig für die spätere Nahrungsaufnahme. Unsere alten Buschreben – die mein Großvater noch gepflanzt hat – kommen sogar ganz ohne Bewässerung aus.

Weinberg Bodegas Tempore, Bajo Aragón
Weinberg von Bodegas Tempore, V.T. Bajo Aragón

Welche Merkmale charakterisieren euren Standort sonst noch?

Wir haben im Gebiet stets einen starken Wind. Das ist gut, denn er hält die Weinberge kühl und selbst an sehr heißen Tagen merkt man die Hitze nicht so. Auch schützt der Wind vor Krankheiten im Weinberg. Darüber hinaus befinden sich unsere Weinberge auf einer Meereshöhe von 500 bis 580 Metern. Ab der zweiten Augusthälfte können die Temperaturen nachts auf 10 bis 15 Grad heruntergehen. Es wird in der Nacht also schon ziemlich kühl und die Trauben können gut ausreifen.

Wie sieht es mit den Böden aus?

Wir haben hauptsächlich zwei Arten von Böden: Einige Weinberge sind durch steinige Lehmböden gekennzeichnet. Sie können das Wasser sehr gut konservieren. Hauptsächlich finden wir aber Kalkböden. Sie ergeben Weine mit guter Säure, Mineralität und Persönlichkeit. 

Wo wir von Persönlichkeit sprechen. Welchen Weinstil wollt ihr für eure Weine erhalten?

Für uns ist es wichtig, die Traube in ihrer reinen Form zu zeigen. Also die Frucht und das Terroir zum Ausdruck zu bringen. Deshalb bauen wir die meisten Weine sortenrein aus. Und wir sind auf 500-l-Barriques umgestiegen, damit der Holzeinfluss im Wein nicht so groß ist. Wir wollen Weine erzeugen, in denen das Holz sehr gut eingebunden ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass Wein aus Trauben gemacht wird, nicht aus Holz.
(Anm. d. Autors: Es gibt einen Trend in der spanischen Weinszene und insbesondere bei jüngeren Weinmachern, der weg von den üblichen 225-l-Barriques hin zu größeren Holzgebinden, teils auch Zementbehältern und Tonamphoren geht. Das Ziel dabei ist, einem dominanten Holzgeschmack im Wein entgegenzuwirken. Bodegas Tempore ist sicher ein Teil dieses „neuen Spaniens“.)

Schnee in Bajo Aragón
Bei Bodegas Tempore in Bajo Aragón: Das Klima ist kontinental mit kalten Wintern und heißen Sommern.

Wo sind eure wichtigsten Verkaufsmärkte?

Ich schätze, dass wir fast 95 Prozent unseres Weins exportieren, insgesamt in 25 Länder. Hauptsächlich in Europa, aber auch in Asien erzielen wir seit einigen Jahren gute Verkäufe. In Ländern wie Japan, Südkorea und China steigt die Nachfrage nach biologisch erzeugten Weinen. Weltweit gibt es diesen Trend. Als wir Anfang der 2000er unsere Weine in Spanien auf den Markt gebracht haben, war das noch sehr schwierig, weil die Leute mit Bioweinen einfach nichts anfangen konnten und sehr ablehnend waren. Das hat sich glücklicherweise verändert. Generell achten die Menschen heute mehr auf Nachhaltigkeit und auf Umweltschutz, denke ich.

Bodegas Tempore ist in zwanzig Jahren weit gekommen. Wo wollt ihr in zehn Jahren sein?

Im Moment sind wir dabei von biologischem auf biodynamischen Weinbau umzustellen. Wir haben in zwei Parzellen damit begonnen und gehen das in Ruhe und Schritt für Schritt an, weil wir damit Erfahrungen sammeln und lernen müssen. Ich hoffe aber, dass in zehn Jahren alle unsere Weinberge biodynamisch sind.
Insgesamt gilt es manche Dinge vielleicht noch besser zu machen und neue Sachen auszuprobieren: Im Moment testen wir eine autochthone weiße Rebsorte, die nur hier vorkommt. Sie heißt Derechero und wir wollen daraus einen Weißwein erzeugen. Auch arbeiten wir an Rotweinen aus unseren ältesten Reben, die wir in offenen Holzfässern vergären. Und nicht zuletzt liegt mir mein Team sehr am Herzen, also die Menschen, mit denen ich täglich arbeite.

Familie Yago.
Paula Yago mit ihrem Bruder Victor und Vater Manuel

Weitere Infos:

Zu den Weinen von Bodegas Tempore im Vino & Alma-Shop: www.vinoalma.de

Save the Date: Live-Webinar und Online-Tasting am Mittwoch, 28. Oktober 2020, 19:15 Uhr. Thomas Götz (Spaniens Weinwelten) und Martin Müller (Vino & Alma) im Gespräch mit Paula Yago und Alejandra Sarmiento von Bodegas Tempore. Die Teilnahme ist offen für alle Interessierten. Hier der Link zur Registrierungsseite für das Tempore-Webinar.

Alle Beitragsfotos mit freundlicher Genehmigung von © Bodegas Tempore

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